Leitlinien meines Verständnisses von Arbeit in sozialen Institutionen
Menschen wählen das Verhalten, das sich "lohnt".
Wenn Menschen sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten, versprechen sie sich etwas davon: Sie erhoffen sich entweder Konsequenzen, die für sie angenehm sind, oder die Vermeidung von unangenehmen Folgen.
Fast immer mischen sich dabei bewusste und unbewusste Erwartungen, oder die Motive, die das Verhalten leiten, sind in sich widersprüchlich. Viele Menschen scheuen vor dem Versuch zurück, ihre Handlungsmotive vorbehaltlos zu klären.
Will man dies tun, lohnt es sich daher zu fragen:
- Was erhoffe ich mir, wenn ich mich so verhalte, wie ich es bisher gewohnt bin?
- Was befürchte ich, wenn ich mich anders verhalten würde?
Dabei spielt die Intuition - das "Bauchgefühl" - eine wichtige Rolle, denn sie zeigt oft zuverlässig Widersprüche auf, die sonst leicht von der Vernunft verdrängt werden.
Jeder Mensch schafft sich sein Bild von der Welt.
Wie ein Mensch die Welt und seinen eigenen Platz darin erlebt, entwickelt sich vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die er im Leben bisher gemacht hat. So konstruiert jeder Mensch sein eigenes Weltbild.
Wir alle neigen dazu anzunehmen, dass auch andere die Welt so erleben, wie wir selbst es tun. Das stimmt jedoch nicht. Im Grunde wissen wir nie, wie ein anderer Mensch sich in der Welt erlebt, denn wir nehmen ja nur unser eigenes Bild von der Welt wahr und ordnen andere Menschen in dieses Bild ein.
Viele Konflikte entstehen aus dem Umstand, dass wir vorschnell davon ausgehen, wir könnten den anderen und seine Handlungsmotive verstehen. Dabei unterstellen wir ihm nur unser eigenes Weltbild.
Wenn es gelingt anzuerkennen, dass das Weltbild des Gegenübers für ihn ebenso gültig ist wie das eigene für einen selbst, fällt es oft leichter, aus der Konfrontation auszusteigen. Es geht dann eher um den Abgleich der verschiedenen Weltbilder und die Suche nach einer gemeinsamen Sicht der Dinge.
Jeder Mensch hat gute Gründe für sein Verhalten.
Oft bewerten wir Verhalten vorschnell - als "gut" oder "schlecht", als "moralisch wertvoll" oder "unmoralisch", als "politisch korrekt" oder als verwerflich. Das dient jedoch meist nur dazu, sich selbst zu rechtfertigen und das eigene Weltbild als gut und richtig zu bestätigen.
Wenn wir einen Menschen und sein Verhalten verstehen wollen, hilft der Versuch, die Welt mit seinen Augen zu sehen. Dann werden wir meist erkennen: Sein Verhalten hat - aus seiner Sicht - nachvollziehbare Gründe.
Verständigung und das Finden von Lösungen in Konflikten wird erst dann möglich, wenn wir die guten Gründe des andern für sein Verhalten anerkennen. Das bedeutet nicht, dass wir uns damit abfinden und z. B. grenzüberschreitendes oder verletzendes Verhalten tolerieren. Doch anstatt zu sagen: "Was du tust, ist schlecht!", vermitteln wir: "Du hast deine Gründe, dich so zu verhalten. Ich sehe diese, aber ich dulde es nicht, dass du so mit mir umgehst."
Ohnehin geht es letztlich darum, wie ein vorhandenes Problem so sinnvoll wie möglich zu lösen ist. Die Frage, welche Seite recht hat, wer besser oder schlechter, kompetenter oder inkompetenter ist, ob man selbst versagt hat oder der andere, darf getrost beiseite gelassen werden.
Das erleichtert es dann auch in Konflikten, die Grenzlinie zwischen der eigenen Sphäre und der fremden Sphäre des andern klarer wahrzunehmen: Den andern in seiner Sphäre gelten zu lassen, ohne darauf zu verzichten, die Integrität der eigenen Sphäre zu wahren.
Menschen verhalten sich immer als Teil eines Systems.
Menschen sind eingebunden in Systeme: Familie, Gemeinde, Verein, die Institution am Arbeitsplatz, das politische System, usw. Sie alle binden ihre Mitglieder ein in - oft ungeschriebene - Regeln, Rollenzuweisungen, Verhaltenserwartungen, Belohnungssysteme, moralische Überzeugungen, ...
Das Verhalten eines Menschen steht immer im Zusammenhang mit dem System, aus dem heraus er sich so verhält. Um einen Konfliktpartner zu verstehen, lohnt es sich deshalb, die Regeln dieses Systems zu erkennen.